Montagmorgen, 7 Uhr. Zuerst schauen viele auf ihr Handy. Sie sehen E-Mails, Nachrichten und gehen im Geiste schon ihre To-do-Liste für den Tag durch. Schon bevor der Kaffee fertig ist, sind die meisten schon gedanklich mitten im Geschehen. Jetzt noch eben zehn Mintuten Tagebuch schreiben und einen Superfood-Smoothie trinken – Selfcare, wie sie im Buch steht. Oder?
Die meisten Menschen wollen immer höher und weiter – sie wollen produktiver sein und sich selbst verbessern. Dabei ist sogar der Begriff „Selfcare“ zu einem Selboptimierungs-Tool geworden. Was früher bedeutete, sich um sich selbst zu kümmern, ist heute ein weiterer Punkt auf unserer täglichen Aufgabenliste, die erledigt werden muss. Aber wer sich immer nur weiter verbessern will, verliert sich dabei früher oder später selbst.
Daher lohnt es sich auch mal still zu werden. Wir wollen nicht nur besser ausruhen, sondern tief in uns fühlen: Was brauche ich wirklich? Und was kann ich jetzt loslassen? Auch das ist Selfcare.
Was ist Selfcare wirklich – und was nicht?
Selfcare ist mehr als ein warmes Bad oder eine Gesichtsmaske. Auch wenn solche Rituale durchaus wohltuend wirken können. Wahre Selbstfürsorge beginnt nicht im Badezimmer, sondern im Inneren. Sie bedeutet, die eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen, Grenzen zu erkennen und sich selbst mit Nachsicht zu begegnen.
Selbstfürsorge ist:
- auf Signale des Körpers zu hören
- sich Pausen zu erlauben, ohne sie rechtfertigen zu müssen
- sich selbst freundlich statt kritisch zu begegnen
- Nein zu sagen, wenn etwas nicht stimmig ist
- sich Hilfe zu holen, wenn man sie braucht
- sich unbeschwerten Spaß & Leichtigkeit zu gönnen
Was Selbstfürsorge nicht ist:
- ein weiterer Punkt auf deiner Liste
- ein Wettbewerb mit anderen
- eine Frage des Geldes
- oder ein Weg, um „noch besser zu funktionieren“
Die Psychologin und Selfcare-Expertin Dr. Lisa Heindl bringt es auf den Punkt: „Selbstfürsorge ist kein Wellnessprogramm, sondern eine Haltung. Sie beginnt dort, wo wir uns selbst zuhören, bevor es der Körper für uns übernimmt.“

Warum weniger Leistung manchmal mehr Leben bedeutet
Ständiges optimieren macht uns mit der Zeit nicht glücklicher, sondern es macht uns müde. Denn was als gutgemeinte Motivation gedacht ist, wird schnell zur zusätzlichen Belastung. Jeder freie Moment soll so gut es geht „genutzt“ werden, jede Schwäche wird analysiert und jeder Pause wird hinterfragt. Doch für das Leben gibt es keinen Projektplan.
Wahre Lebensqualität ensteht nicht durch die Anzahl erledigter Aufgaben, sondern durch die Tierfe unserer Erfahrungen, echte Begegnungen und Momente der Ruhe. Aber auch in der Fähigkeit, nichts tun zu müssen und sich trotzdem wertvoll zu fühlen.
Es geht nicht darum, Leistung per se abzulehnen – sondern ihr den Platz zu geben, der ihr zusteht. Und damit Raum zu lassen für das, was uns wirklich nährt: Verbindung, Sinn, Selbstannahme. Manchmal bedeutet dies auch, langsamer zu gehen, tiefer zu atmen und einfach zu leben.
Wenn Selfcare unbequem wird: Echte Fürsorge braucht auch Mut
Selbstfürsorge klingt gut, aber sie ist manchmal nicht einfach. Wenn man sich selbst wirklich zuwendet, muss man sich auch mit Dingen auseinandersetzen, die man lange ignoriert hat. Zum Beispiel alte Glaubenssätze, ungesunde Beziehungen oder das ständige Bedürfnis, zu gefallen.
Es braucht Mut, unangenehme Gefühle zuzulassen, statt sie wegzudrücken. Es ist nicht leicht, Nein zu sagen, wenn andere enttäuscht sind. Wenn du es verlernt hast, brauchst du Geduld, um wieder mit dir selbst in Beziehung zu gehen.
Die beste Fürsorge für sich selbst ist, wenn man sich ehrlich und achtsam selbst begegnet. Das ist zu Anfang nicht leicht, aber es lohnt sich. Wenn du daran arbeitest, dir selbst ein sicherer Ort zu sein, wirst du auch unabhängier von anderen.
Manchmal darf man ehrlich sein. Das nennt man dann Selbstfürsorge, sie schenkt dir auf lange Sicht das, was kein Produkt und kein Urlaub dir geben kann: Dir selber wieder zu vertrauen und dich frei zu fühlen.
Selfcare als tägliche Praxis – und als Haltung dir selbst gegenüber
Selbstfürsorge muss nicht perfekt sein. Sie braucht keine Instagram-Optik, keine exotischen Rituale, keine To-do-Liste. Sie darf unkompliziert sein, unauffällig, alltäglich. Ein freundlicher Blick in den Spiegel. Ein liebevolles „Nein“. Eine Stunde offline. Ein Mittagsschlaf. Das sind nur einige Beispiele dafür, wie Selfcare aussehen kann. Dabei ist Selfcare ganz individuell, was der eine nicht mag, kann dem anderen gut tun. Am besten fühlst du einfach in dich hinein und hörst darauf, was dein Inneres gerade braucht.
Vergisss dabei aber nicht, Selbstfürsorge ist eine innere Haltung. Eine Art, mit dir selbst umzugehen. Mit Nachsicht statt Selbstkritik. Mit Fühlen statt Funktionieren. Mit Erlaubnis statt Optimierungsdruck. Vielleicht bedeutet das an einem Tag, früh ins Bett zu gehen. An einem anderen, laut Musik zu hören und zu tanzen. Oder einfach still dazusitzen und nichts zu müssen. Was auch immer es ist: Es darf einfach sein. Du darfst einfach sein.

5 Selfcare-Tipps, wieder mit dir selbst in Kontakt zu kommen
Wie kannst du echte Selbstfürsorge im Alltag leben? Fünf einfache Tipps helfen dir dabei. Dafür brauchst du keine perfekte Morgenroutine, sondern nur etwas Achtsamkeit:
1. Regelmäßige Check-ins mit dir selbst
Nimm dir jeden Tag kurz Zeit, um dich selbst zu fragen: Wie geht es mir gerade? Was brauche ich jetzt? Hört sich simpel an, aber oft spüren wir im geschäftigen Alltag nicht mehr was uns gerade wirklich fehlt.
Journaling kann dir dabei helfen deine Gedanken zu ordnen und so klarer zu sehen. Eine einfache Skala, etwa von 1 bis 10 für Energie oder Anspannung, gibt ebenfalls gute Hinweise.
2. Grenzen setzen – und „Nein“ sagen üben
Selbstfürsorge bedeutet aber auch, deine eigenen Grenzen zu kennen und respektieren. Dass heißt guten Gewissens auch mal Aufgaben ablehnen, Verabredungen absagen oder Themen meiden, die dir nicht guttun. Ein „Nein“ zu anderen ist oft ein „Ja“ zu dir selbst und dein Inneres spürt das sofort.
3. Digital Detox in kleinen Dosen
Schon ein kurzer Verzicht auf Bildschirmzeit kann dich wieder zu dir selbst zürückbringen. Wie wäre es mit 30 Smartphon-freien Minuten am Abend? Oder einem Morgen ohne Social Media? Offline-Zeiten schaffen Raum für echte Verbindung mit dir und mit deiner Umwelt.
4. Körperwahrnehmung durch Atmung oder Bewegung
Dein Körper ist ein wertvoller Indikator für deine Bedürfnisse. Egal ob ein paar bewusste Atemzüge, ein kurzer Sparziergang oder sanftes Dehnen: Bewegung hilft dir dabei, wieder ins Fühlen zu kommen und dich wieder selbst zu spüren. Dabei geht es auch darum den Moment bewusst wahrzunehmen.
5. Pausen machen, ohne sich rechtfertigen zu müssen
Du musst nicht erschöpft sein, um dir eine Auszeit zu erlauben. Du kannst Pausen auch präventiv machen, denn regelmäßige kleine Pausen halten dich langfristig gesund, steigern deine Motivation und Effinzienz. Betrachte sie einfach als kleine Investition in dich selbst. Ob Du einen Tee trinkst, zehn Minuten nichts tust oder einfach nur in die Luft schaust – deine Erholung ist grundsätzlich wichtig. Punkt!
Selbstfürsorge ist kein Trend, sondern eine Notwendigkeit. Sie beginnt dort, wo du dir selbst wieder nah kommst. Nicht um mehr zu leisten, sondern um wieder mehr zu leben. Du bist genug – auch ohne ständige Optimierung. Und genau hier beginnt wahre Selfcare. Beginne am besten gleich heute mit deiner Selfcare-Journey und finde wieder zurück dir.
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